Braucht Führung ein Menschenbild?

Alle Themen im Management – Motivation, Unternehmenskultur, Werte, Zufriedenheit und Leistung – alle sind vom Menschenbild des Führenden abhängig. Misst er seine Mitarbeiter nur an der eigenen Leistung und seinem eigenen Verhalten, dann geht ein Großteil der Fähigkeiten der zu Führenden verloren. Führen heißt deshalb, auf Menschen eingehen und sie entwickeln, unabhängig von vom Ego-Maßstab.
Bezüglich des Menschenbild es gibt es zwei Extreme. Das eine betrachtet den Menschen als schwaches, hilfsbedürftiges Wesen. Es scheut Belastung und ist nicht fähig, sein eigenes Leben zu gestalten und zu verantworten. Deshalb bedarf es durch die Führenden genaue Anweisungen, Vorgaben, Kontrollen und Hilfen. Diese Art der Führung ist aufwändig und die Resultate selten effizient. Das andere Menschenbild ist dasjenige des starken, aktiven und leistungsbewussten Menschen. Er bestimmt sein Leben gerne selber, weil er darin Sinn und Selbsterfüllung findet. Er arbeitet gerne, auch freiwillig, denn er findet sich darin bestätigt. Er braucht wenig Führung. Er braucht zu erreichende Zielnennungen, aber Wege zum Ziel gestaltet er gerne selber.
Führende brauchen kein allgemeines Menschenbild, denn auf der Erde leben ca. 8 Mia. Menschen und keiner ist gleich, wie der andere. Jeder hat mehr oder weniger vom einen oder anderen Menschenbild in sich. Führende sollten deshalb ihre Mitarbeitenden individuell besser kennen. Mitarbeiter sind keine Maschinen, in die man Daten eingibt und perfekte Resultate erwartet. Mitarbeiter sind biologische Wesen. Und als solche haben sie eigene Ansichten, Vorstellungen, Reaktionen auf Reize und grundsätzliche Charaktereigenschaften. Sicher gibt es dabei solche, die sich wohlfühlen, wenn ihr ganzes Leben vorbestimmt und organisiert ist, ohne dass sie selber sich Mühe geben müssen, die nächsten Tage, Monate und Jahre zu planen. Und es gibt solche, die eigenwillig Ziele anstreben, den Weg dazu selber bauen wollen und Einflüsse von außen kritisch begutachten.

Ein allgemeines Menschenbild, das auf die Menschen (alle) zutrifft, gibt es nicht. Deshalb brauchen Führungskräfte auch keines zu haben. Ihre Führungsaufgabe muss beinhalten, möglichst die Individualität ihrer Mitarbeiter zu erkennen, sie mit ihnen zu besprechen, auf sie einzugehen und mit ihnen ihrer Veranlagung gemäß zu kommunizieren. Einige verlangen Unterstützung, Vorgaben, Kontrollen und viel Lob. Andere gehen ihren Weg und wollen an den erreichten Zielen gemessen werden. Ein Menschenbild wird nicht gebraucht, dafür Achtung vor dem Individuum. Achtung und Wertschätzung des Individuums ist die Grundlage guter Führung.
Menschen sind wirklich nicht alle gleich und deshalb sollte der Eintrag in der Bibel geändert werden, der lautet: Gott erschuf den Menschen. Wenn es einen Gott gibt, dann  hat er Individuen erschaffen. Ordnungsfaktoren in einem Unternehmen treffen jedes Individuum verschieden. Die einen finden daran Gefallen, andere sehen darin eine Freiheitsbeschränkung und empfinden sie als falsch. Trotzdem wird in allen Unternehmen seitens der Führung das Generelle betont.
Wir kennen eine generelle Unternehmenskultur, generelle Führungsregeln, generelle Gehaltssysteme, generelle Spesenregelungen, generelle…. Aus Angst davor, dass individuelle Vereinbarungen zu Eifersüchteleien und Streit führen, oder dass Forderungen Minderbegünstigter an die Firma laut werden, werden Individuen in Schemen gepresst. Sie verlieren dadurch teilweise ihre Stärken und passen sich an durchschnittliche Leistungen an. Und das sollte kein Ziel des Talent-Managements sein.
Dass die Ausrichtung auf das Individuum Erfolg bringt, beweisen uns Firmen im IT- und Internetbereich (z.B. Netflix). Die Arbeitszeit selber bestimmen, den Gehalt selber festsetzen, den Arbeitsort nach Wetter auszuwählen, das sind schon realisierte Individualisierungen. Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.                                                     jb