CEO, als Position begehrt, funktional problematisch?
Eine empirische Untersuchung der Energy Factory St. Gallen (Spin-Off der Uni St. Gallen) mit HR Pepper Management (Organisationsberatung) hat bei CEOs Mängel in Realitätssinn, Ethik, Menschenverständnis und Selbstkritik festgestellt. Tatsache ist, dass viele CEOs in den Medien kritisch beurteilt werden. Berichte über Fehlleistungen, Fehlentscheide und Verhaltensfehlern häufen sich. Die Frage stellt sich: Was sind die Gründe?
1. «Ich hab’s zum CEO geschafft!» Also bin ich gut. Besser als die anderen, die ich auf der Karriereleiter überholt habe. In der Untersuchung der Energy Factory St. Gallen wird von einem Realitätsverlust bei CEOs gesprochen. Die eigene Leistung wird glorifiziert, Kritik nicht zugelassen und Selbstkritik verkümmert. Ich bin CEO, mein Wille geschehe. Diese Einstellung ist nicht allein bei CEOs zu beobachten, auch bei anderen Menschen mit Erfolg in Sport, Musik, Kunst und Politik. Erfolg reduziert Hemmungen, Vorsicht und zerstört Freundschaften und Kollegialität.
2. Der CEO ist ein Angestellter (weder Pionier, noch Patron). Liegt das Kapital in den Händen von Gesellschaftern oder Aktionären, werden ihm sehr kurzfristige Ziele vorgegeben an deren Erreichung er gemessen wird. Er hat nicht die Bedeutung eines Unternehmensführers, der die Mehrheit des investierten Kapitals besitzt. Wichtige Entscheidungen fällen Kapitalgeber oder deren Vertreter im Aufsichtsrat. Der CEO verhält sich deshalb auch wie ein Angestellter, er versucht das Beste für sich herauszuholen.
3. CEOs sind einsam. Um sich selber zu schützen, schotten sie sich ab. Der Selbstschutz führt zu irrealen Beurteilungen. Sich selbst sieht man positiver als in Beurteilung anderer. Auch das Unternehmen und die beschäftigten Menschen werden optimaler betrachtet, als real. Entsprechend wird jegliche Kritik, sei sie intern oder in Medien
umgehend bestritten. Nur wenn Tatsachen oder Beweise vorgelegt werden, wird Ne-gatives zugegeben.
4. CEOs bezeichnen sich gerne als Visionä-re und inspirative Führer. So werden sie al-lerdings meistens von ihrer Umgebung nicht wahrgenommen. Den Visionen anderer stehen sie kritisch gegenüber und von inspi-rativer Führung und Förderung sind einige weit weg. Viele CEOs verhalten sich des-halb als konservative Bewahrer ohne Mut. Mutiges Vorpreschen könnte bei Kapita-gebern Widerspruch erregen. Und das würde die Position kosten.
Das sind die vier wesentlichsten Gründe, weshalb CEOs nicht immer optimal agie-ren. Da durch ihre Fehlleistungen oder Fehl-verhalten viel Kapital vernichtet oder nicht erobert wird, darf die Frage gestellt wer-den, ob die Position CEO an der Unter-nehmensspitze noch tragbar ist. Könnten nicht andere Organisationsformen bessere Leistungen in Unternehmensführung erge-ben?
Ein «Oberbefehlshaber» an der Spitze ent-stammt dem militärischen Vorbild. Die Wirt-schaft hat sich jedoch in ihrer Entwicklung mehrfach von diesem Vorbild entfernt und eigene Formen von Organisation und Füh-rung geschaffen. Führungspyramiden ver-lieren durch Lean-Management mehrere Ebenen und werden flach. Projektma-nagement verbindet interdisziplinäre Men-schen. Dank digitaler Technik arbeiten Menschen verteilt auf der ganzen Erde in Teams zusammen. Das Miteinander-Denken löst das Führungsdenken ab.
Als CEO-Ersatz bieten sich folgende Lösun-gen an:
– Rotierender Vorstandsvorsitz. Vorbild Präsidium der EU oder Bundesrat der Schweiz. Einer der Vorstände über-nimmt den Vorsitz für ein Jahr.
– Projektgruppe, bestehend aus zwei Aufsichtsräten und zwei Vorständen, ebenfalls für ein Jahr gewählt.
– Ersatzloser Wegfall der Position, instituti-onalisierte Verbindungen zwischen Auf-sichtsrat und Vorstand.
Gedanken in diese Richtung sind nicht falsch, sondern lohnenswert. jb